21.
April
2011

Lebendiger Blick über den Tellerrand

Nicht nur für den Beruf, sondern auch fürs Leben lernen: Wer in der IST METZ-Gruppe eine Ausbildung absolviert, sieht durchaus weiter über den Tellerrand hinaus als sonst, denn fester Bestandteil der Lehrjahre ist es auch, für zwei Wochen in der Werkstatt am Neckar in Wendlingen zu hospitieren. Fünf Auszubildende berichteten nun von ihren Erfahrungen in der Einrichtung für berufliche Rehabilitation für Menschen mit psychischen Erkrankungen.

 

Zwischen 18 und 21 Jahre sind sie jung: Die IST METZ-Azubis im zweiten Lehrjahr Mara Amendola, Marcel Geiger, Laura Schober (Industriekaufleute), Manuel Neufeld und Dimitrios Minidis (Elektroniker für Automatisierungstechnik) sind der Mitarbeiternachwuchs des UV-Trocknungsanlagenherstellers. Und wie bereits etliche Auszubildende vor ihnen lernten sie im vergangenen Oktober andere Aspekte des Lebens kennen als das, was ihnen bereits aus Familie, Freundeskreis, Schule und erstem Lehrjahr begegnet war. “Vorher war es schon ein wenig ein ungewisses Gefühl”, spricht Mara Amendola aus, was alle fünf denken. “Wir hatten keine Vorstellung, welche Begegnungen uns dort bevorstehen”, ergänzt sie im Rückblick auf den ersten Tag, den die fünf in jeweils unterschiedlichen Arbeitsgruppen in der Werkstatt am Neckar verbracht hatten.

 

Die Hospitanz von Azubis als Mitarbeiter in der Einrichtung der Samariterstiftung Nürtingen ist eine Idee, die sich mit dem sozialen Engagement der IST METZ-Gruppe unter der Federführung des früheren Geschäftsführers Joachim Jung entwickelt hatte: Er hatte die ersten Bindungen an soziale Einrichtungen initiiert, erste einwöchige Arbeitsaufenthalte in Abteilungen der Samariterstiftung für Auszubildende gab es ab 2006. Nach Jungs unerwartetem Tod 2007 wollte die Unternehmerfamilie Metz an sein soziales Engagement anknüpfen und rief 2008 die IST METZ Stiftung ins Leben, eine Tochterstiftung der Stiftung “Zeit für Menschen”, beide angesiedelt unter dem Dach der Samariterstiftung. Mit dieser Gründung wurde auch die regelmäßige Kooperation mit der Werkstatt am Neckar fixiert, die nicht nur durch Besuche der IST METZ-Azubis geprägt ist.

 

Durch die Erträge aus der Stiftung werden langfristig und nachhaltig zusätzliche Projekte zur beruflichen Förderung und persönlichen Entwicklung der Werkstatt-Mitarbeiter angeboten.

Persönliche Entwicklung, das ist aber auch das Resultat des Besuchs der jungen Hospitanten: Die Erfahrungen ihres zweiwöchigen Aufenthalts beschreiben sie zum Teil unterschiedlich, doch immer mit dem gleichen Fazit: ein erweiterter Blick aufs Leben, neue Ansätze, um mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen, der Abbau von Vorurteilen gehören dazu. Jeder der fünf hat eine eigene kleine Geschichte zu erzählen von einem der Werkstatt-Mitarbeiter, die ihn oder sie besonders beeindruckt hat. Die Unterschiede in den einzelnen Arbeitsgruppen, denen die IST METZ-Azubis zugeteilt wurden, waren dabei immens: So war Manuel Neufeld einer Gruppe zugeordnet, deren Mitglieder ebenfalls erst ganz neu in der Werkstatt waren. “Es war sehr still, man hat anfangs kaum untereinander gesprochen”, erinnert er sich. Dennoch gelang es auch ihm mit Tipps der Gruppenleiter, Details über die Geschichten der anderen kennenzulernen.

 

In anderen Gruppen ging es offener zu, viele der Werkstatt-Mitarbeiter erzählten aus freien Stücken von sich und ihren Lebenserfahrungen, die sie so schwer belastet haben, dass eine psychische Erkrankung die Folge war. Ob es nun ein Schlaganfall war, der die Rückkehr ins Arbeitsleben erschwert oder Schicksalsschläge, die für die Seele zu viel wurden – es gab für die Azubis viel zu hören, was sie so noch nicht kannten. Und das beschäftigte sie in Gedanken auch nach Feierabend: “Ich habe erfahren, wie viel ein Mensch ertragen kann. Das relativiert doch sehr die Sorgen, über die so mancher jammert”, meint etwa Laura Schober. Ganz ähnlich sieht das Marcel Geiger: “Es ist bewundernswert, wieviel diese Menschen ausgehalten haben.” Dimitrios Minidis bilanzierte die Begegnung wie die anderen auch als beeindruckende Erfahrung. “Das hat auch die Augen dafür geöffnet, über andere nicht vorschnell zu urteilen”, meint Mara Amendola.

 

Neben der regulären Arbeit in der Werkstatt gab es auch gemeinsame, von den Azubis begleitete Aktivitäten, die mehr Raum für persönliche Gespräche ließen: Vom Minigolfen und Kürbisschnitzen über einen Besuch in der Wilhelma bis zum Gang übers Stuttgarter Volksfest ergaben sich so Gelegenheiten, sich persönlicher kennenzulernen. Und auch nach den beiden Hospitanzwochen gab es mit einem von den Azubis angebotenen Internetkurs und einer Betriebsbesichtigung bei IST METZ für die Werkstatt-Mitarbeiter noch Gelegenheiten, sich wiederzusehen: So begegnete man sich auch noch einmal bei der Weihnachtsfeier der Werkstatt am Neckar, für deren Tombola IST METZ gespendet hatte.

 

Wie nachhaltig solche Begegnungen auch Jahre später noch wirken, davon weiß auch Melanie Fieß zu berichten: Die heute für Aus- und Weiterbildung bei IST METZ zuständige Personalreferentin war selbst in ihrer Ausbildungszeit in der Werkstatt am Neckar. “Ab und zu begegne ich einem der Mitarbeiter, die erkennen mich nach drei Jahren immer noch”, sagt sie. Der Gewinn liegt bei diesem Hospitanzprogramm auf beiden Seiten, wie die Azubis meinen: “Einigen in der Werkstatt hat es echt gut getan, mal etwas anderes zu hören”, erzählt Manuel Neufeld.
Spätestens im kommenden Herbst wird es für die Werkstatt-Mitarbeiter wieder eine solche Abwechslung vom Alltag geben: Dann werden gleich zehn Auszubildende aus der IST METZ-Gruppe dort hospitieren. Vermutlich wird auch deren Fazit so ausfallen wie das der jüngsten Gruppe: “Wir würden auf jeden Fall nochmal hingehen. Das war eine wichtige Erfahrung.”

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